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Gedanken zu r

Den Buchstaben r finde ich besonders spannend für die Phonetik. Warum?

  • Weil sich hier mal wieder schön zeigt, dass manche Aussprachefehler nicht aufgrund von Schwierigkeiten bei der Lautbildung entstehen, sondern durch die Orthografie.
  • Weil der Buchstabe r für einen Konsonanten, aber eigentlich auch für einen Vokal steht – und damit für mich ein Bindeglied zwischen Vokalen und Konsonanten ist. Deshalb habe ich das Kapitel r im Praxisbuch Phonetik auch exakt zwischen die Vokale und die Konsonanten gestellt.
  • Weil man bei vielen Lernenden einen Aha-Effekt erreichen kann, wenn man ihnen sagt, dass sie das konsonantische r nicht zu üben brauchen, denn sie machen das r richtig.

 

Wann und wie spricht man ein konsonantisches r?

  • Am Wortanfang und am Silbenanfang sowie nach einem Konsonanten: rot, das Radio, hö-ren, die Kell-ne-rin, der Freund, bringen
  • Es gibt drei Möglichkeiten, das konsonantische r korrekt zu sprechen:
  1. das Reibe-r („r im Hals“), es klingt fast wie „ch“ in „Ach!“
  2. das Zäpfchen-r am Zäpfchen (uvula), es klingt wie beim Gurgeln mit Wasser.
  3. das Zungenspitzen-r oder rollende r (= wie im Russischen, Türkischen, Persischen, Italienischen, …).

Auf keinen Fall darf man r wie im Englischen aussprechen. Und man sollte es nicht mit l verwechseln!

Die gute Nachricht ist: Sehr viele Deutsch-Lernende produzieren eine dieser drei Varianten, müssen also gar nichts üben (z.B. Französisch Sprechende sprechen Zäpfchen-r, Spanisch Sprechende das Zungenspitzen-r).

Manche Deutsch-Lernende hören von ihren Dozent/-innen, dass das Zungenspitzen-r falsch sei. Das stimmt nicht! In vielen Regionen Deutschlands (Bayern, Ostfriesland, Mittelhessen …), in Österreich und den meisten Regionen der Deutschschweiz wird das Zungenspitzen-r gesprochen. Sprechen alle diese Menschen mit deutscher Muttersprache falsch? Nein! Es macht für das Verständnis keinen Unterschied, ob man das r im Hals, am Zäpfchen oder an der Zungenspitze spricht.

Allerdings muss man sagen, dass sich etwas verändert: Jüngere Menschen tendieren dazu, Zäpfchen- oder Reibe-r zu sprechen.

Tipps zur korrekten Aussprache von r und Übungen finden Sie im Praxisbuch Phonetik ab Seite 68.

 

Wann und wie spricht man ein vokalisches r?

Das r spricht man nicht immer als Konsonant!

  • Nach einem langen Vokal spricht man r entweder gar nicht (das Jahr klingt mehr wie „Jaa“) oder wie ein schwaches, etwas undeutliches a (die Tür klingt mehr wie „Tüa“).
  • Die reduzierte Silbe -er wird vokalisch gesprochen (aber → „aba“, die Mutter → „Mutta“).

Nach einem kurzen Vokal spricht man eigentlich ein (zumindest schwach hörbares) konsonantisches r: warm, die Wurst. Aber: In vielen Regionen Deutschlands und besonders beim schnellen Sprechen wird r auch nach einem kurzen Vokal vokalisiert, also zu einem schwachen a („waam“, die „Wuast“).

 

Aussprachefehler durch Orthografie

Nach meinem Empfinden das Fehlen von vokalischem r mit ein Hauptgrund dafür, dass die Aussprache "nicht so richtig deutsch" klingt. Lernende sehen den Buchstaben r – und sprechen r. Sie orientieren sich also an der Orthografie. Und genau das ist der Fehler! Mein Tipp: Üben Sie das vokalische r (im Praxisbuch Phonetik ab Seite 64)! So wird Ihre Aussprache „viel deutscher“.

 

Zusammenfassung:

  • Alle drei Varianten von konsonantischem r sind okay.
  • r kann nach allen Vokalen vokalisiert werden.
  • Das vokalische r sollte auch wirklich vokalisch realisiert werden, wenn man auf eine gute Aussprache Wert legt.